Best of 2008… Ein Jahresrückblick


Wooooooooooooo.

Ric Flair liegt am Boden. Langsam rafft er sich auf – sein Gesicht verzerrt vor starken Schmerzen und blanker Erschöpfung, doch die Fäuste heroisch vor die Brust geballt. Verzweifelt und am Ende seiner physischen Leistungsfähigkeit blickt er dem in der Ringecke stehenden Shawn Michaels entgegen. Seine Beine Zittern, die Knie haben Mühe in die Vertikale zu steigen. Mit gekrümmtem Rücken steht Flair in der Mitte des Ringes, die Fäuste geballt, gewillt, wissend dass das Ende nahte. Der Blick zu seinem Gegner. Sein Gegner, auf dem die Bürde lastete. Shawn Michaels' Kopf ist leicht gesenkt, sein Haar ist wild zerzaust von der harten Schlacht die hinter ihm liegt. Einer Schlacht mit einem 59 Jahre alten Mann, die ihn einmal mehr die Show stehlen ließ. Mit traurigen Augen spricht er die letzten Worte, die für Richard Fliehr die letzten Worte seiner aktiven Karriere bedeuten sollten.

„I’m Sorry. I love you.“

Die Worte gesprochen, spannt Michaels seine Muskeln und Flair stellt sich ihm entgegen – wie der Kapitän auf dem Masten seines untergehenden Schiffes empfängt er ehrfürchtig die Sweet Chin Music, die die wohl fantastischte Karriere dieses Business drei Sekunden später für immer beenden sollte. Zwei Tipper, ein Kick, Flair fällt, Michaels pinnt ihn mit einem Cover in Form einer Umarmung und streichelt ihm im direkten Anschluss tröstend die Haare. Michaels verlässt die Halle und zurück bleibt ein besiegter Ric Flair. Ein letztes Mal.

Wollte uns im selben Jahr doch jemand die Botschaft überbringen, alles sei möglich und bewies es eindrucksvoll an eigener Person, indem er sich zum ersten dunkelhäutigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wählen ließ – wurde seine politische Catchphrase „Yes, we can.“ nicht nur auf seiner Bühne zum Leitspruch des Jahres 2008, sondern auch im Lande von World Wrestling Entertainment. Ein 59-jähriger trat ab und lieferte dabei nicht nur die Emotion des Jahres, sondern auch das Match des Jahres. Männer nannten sich World Champion, die man zuvor so nah an diesem Gürtel glaubte wie die No Angels an einem European Song Contest Sieg. Interviewer wurden Kommentatoren, Kommentatoren wurden General Manager. Es wurde geheiratet, ein Boxer brach einem Wrestler die Nase, die beste Wrestlerin trat als Truthahn auf und Vince McMahon verschenkte so lange Geld, bis er vom Set vergraben und nie wieder gesehen wurde. Triple H verließ das Flaggschiff, Mick Foley gleich die ganze Liga und Jerry Lawler und Jim Ross traten in die Zwangstrennung. Viele Stars mussten ihre Koffer packen, einige andere frische Gesichter sollten die Shows verstärken und speziell in dieser Kategorie war es anzumerken wie noch nie – 2008 begann die nächste Generation World Wrestling Entertainment. Die Generation der Söhne und Töchter, die Generation der Performer, die Generation Punk.


„Punk wins! Punk wins! Punk wins!“

Doch was verbirgt sich hinter dieser ominösen Generation Punk, die das Jahr 2008 so sehr beherrscht haben soll? Glaubt man der besten Band der Welt, dann ist Punk „dreckig, feige und gemein“. Punk ist „ein guter Musikgeschmack“, „Arschlecken und Rasur“. Die Automarke Honda sieht das wieder ganz anders und beschreibt „Vernunft“ als neuen Punk. Und auch wenn Ja-Sagerei meiner ganz persönlichen Auffassung dessen, was „Punk“ sei in keinster Weise entspricht muss ich an dieser Stelle doch eingestehen: Beide haben Recht.

2008 war das Jahr der ungewöhnlichen Pushs. Der überraschenden Titelwechsel, dem Setzen auf wahres Talent. Los ging es gleich Anfang des Jahres, als man es tatsächlich fertig brachte, Jeff Hardy als Herausforderer für das WWE-Titelmatch beim zweitwichtigsten PPV des Jahres, dem Royal Rumble zu besetzen. Jeff Hardy! Ein Ding der Unmöglichkeit. Speziell bei diesem PPV bewies man zwar auch in der Vergangenheit mit illustren Typen wie Hardcore Holly, Test und Mark Henry bereits, dass man gerne mal sehr, ich sag mal „ironische“ Besetzungen in wichtigen Titelmatches mochte – aber dennoch war der kleine Hardy doch damals sowas von un-Star und eindeutig niemand, der eine Liga tragen könnte. Ein Jahr ist das nun her und heute, 365 Tage später heißt der WWE Champion Jeff Hardy – und irgendwie scheint das ganz normal. Alleine das zeigt, welchen Wandel World Wrestling Entertainment in diesen 52 Wochen durchgemacht hat, denn man machte eine Welt in der man (wenn man nicht grade Adam Copeland hieß oder ein 3rd Generation Superstar war) den Umfang einer Litfaßsäule benötigte um ernsthafter Champion der Liga zu sein, zu einer Welt, in der Jeff Hardy im Rahmen vollkommener Normalität den WWE Championship hält.

Als Initialzündung nenn ich hier einfach mal WrestleMania, eine Show die für das laufende Jahr als eine Art Staffelstab-Übergabe dienen sollte. Nach Jeff Hardy’s konsequentem Aufbau und dem Push in's Money in the Bank Match stand er als Sieger praktisch fest. Als seine Teilnahme schließlich aufgrund bekannter Freizeitbeschäftigungen gecancelt wurde, bekam der Kampf plötzlich ganz neuen Charakter. Mit MVP und Mr. Kennedy standen zwei Männer im Ring, denen man schon seit Längerem einen großen Push prophezeite, mit Chris Jericho zudem ein ehemaliger World Champion, der von diesem Gürtel aktuell aber soweit entfernt war wie… den No-Angels-Vergleich hab ich schon gebracht, oder?... dann halt wie… Kevin Kuranyi von seinem 100sten Länderspiel. Umso größer war dann die Entscheidung, niemand geringeren als CM Punk den Koffer gewinnen zu lassen. Einen Mann, der nach seiner ECW Title-Regentschaft nicht grade in den Himmel gepusht wurde. Nachdem bisher jeder der drei MitB-Koffer zu einem World Title Gewinn genutzt wurde, ahnte ich bereits Unglaubliches, als Punk auf der verregneten Leiter stand und den Koffer empor hob. Drei Monate später stand RAW dank Draft Lottery ohne World Champion da, was eben jener World Champion Edge dazu nutzte, sich öffentlich darüber lustig zu machen. Batista zerstörte ihn, Punk marschierte mit dem Koffer zum Ring und der Rest ist Geschichte. CM Punk war World Heavyweight Champion.

Punk’s Titelgewinn war die perfekte Überraschung. 10 Wochen später hielt man diesem Prinzip die Treue und zauberte Chris Jericho als Champion hervor – er gewann den Gürtel, in einem Match an dem weder er noch der amtierende Titelträger CM Punk teilnahmen. Weird – aber genial. Jericho war damit bereits der zweite Worker den man krönte, obwohl er so gar nicht ins WWE-Main-Event-Konzept passte. Sprich: Klein, dünn, talentiert und verdient. Mitte Dezember folgte schließlich Jeff Hardy und gab mir und meinem Ausspruch aus meiner August-Kolumne endgültig recht, in der ich schrieb „Alles ist möglich, in einer Welt, in der CM Punk World Champion ist.“.


The Neuausrichtung.

Generation Punk war aber noch viel viel mehr als einfach die neue und erfrischend abgefahrene Auswahl an World Champions. Das Pushen von Talent zog sich durch sämtliche Regionen der Cards aller drei WWE Shows. Das ging sogar soweit, dass man Charaktere pushte, denen ich den Erfolg in diesem Push im Leben nicht zugetraut hätte. Noch kurz vor WrestleMania kündigte man einen Split des sensationellen aber ebenso bemitleidenswerten RAW-Teams bestehend aus Brian Kendrick und Paul London an. Daraufhin schien man Kendrick die Heel-Rolle geben zu wollen, was so absurd klang wie eine Frau zur Vize-Präsidentschaftskandidatin aufstellen zu wollen, die ihre außenpolitische Qualifikation damit begründete, dass sie von ihrem Heimatstaat aus eine tolle Sicht auf Russland hätte. Diese Dame fand dann schließlich ihren Weg zu TNAW und den Split des Highfligher-Teams erstickte man schnell, indem man die Streitigkeiten der beiden Freunde einfach vollständig ignorierte. Aus meiner Sicht damals vollkommen nachvollziehbar, spätestens seit ich Kendricks jämmerliche Versuche begutachten musste, beim Einmarsch zur WrestleMania-Battle-Royal böse drein zu schauen. Und genau dann tat WWE etwas, was ich ihnen eben nicht zugetraut hatte – sie schafften etwas, was ich für unmöglich gehalten hatte. Sie machten aus Brian Kendrick einen Star – oder vielmehr ließen sie Kendrick aus sich selber einen Star machen. The Brian Kendrick war geboren und binnen weniger Wochen führte ihn sein surreal wirkender Push gar bis ins WWE Title Match beim Unforgiven-PPV. Brian Kendrick kämpfte bei einem Pay Per View um den WWE Title von Triple H. Und als wäre das nicht alles schon druggy genug, stellte man ihn auch noch dermaßen stark dar, dass ich wirklich darüber nachdachte, ob diese ganze „Vince ist bei der Million $ Mania explodiert“-Geschichte vielleicht doch kein Work war.

Für sechs Minuten war Brian Kendrick „Current WWE Champion“. Im selben Kampf startete man schließlich aber zu Ungunsten Kendricks den zweiten großen Main Event Push des Jeff Hardy, dessen Resultat nun zu Genüge betrachtet wurde. Jeff war aber nicht der einzige Hardy, der 2008 abging wie Schmidt’s Katze, denn am selben Abend wurde sein großer Bruder Matt zum ECW Champion. Klar, das bedeutet nicht im Ansatz so viel wie Jeff’s Erfolge im Dezember, aber dennoch ist es die wohl größte Errungenschaft in der bisherigen Karriere des Matt Hardy.

Im April des Jahres sollte noch ein Mann gepusht werden, bei dem seit Jahren nach eben diesem Push geschrien wurde. An die Wahrwerdung dieses Traumes glaubten aber die wenigsten. WWE brachte wie aus heiterem Himmel das King of the Ring Turnier zurück – und seit Booker T's Aufstieg in den Rang eines Monarchen wussten wir, dass das nur dann gemacht wird, wenn man jemanden auf irgendeine schnelle Art und Weise pushen wollte. Es war tatsächlich William Regal, seines Zeichens amtierender General Manager von RAW und damit Non-Wrestling-Charakter, den man mit Siegen über zwei blöde Iren und letztlich dem zukünftigen World Champion CM Punk zum König des Ringes kronte. Es begann die Verwandlung eines unscheinbaren GM’s zu einem besessenen Machtmenschen, dessen Präsenz sich durch die kompletten Shows zog und man sah ihn bereits in Gedanken um die ganz großen Titel im Ring kämpfen. Regal allerdings zog es vor, seine Karriere nach dem Kennedy-Prinzip fortzusetzen und beendete seinen Push per Verstoß gegen die Drug Policy. Seine Rückkehr war eine Persiflage auf sich selbst und erst einige Monate später wagte man den Ansatz, aus dem heißesten Free Agent des Universums wieder den mächtigen King of the Ring zu machen.

Viele verdiente Namen bekamen also endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienten. Jericho in seiner Paraderolle als Heel, Punk und Hardy einfach in der Rolle der großartigen Performer. Charlie Haas in der Rolle vieler seiner Kollegen und für Männer wie Ted DiBiase Jr., Manu, Cody Rhodes und einige andere reichte der Nachname für einen vollends gelungenen Aufbau inklusive zugehöriger Untermalung durch Titelgold. Schaut man durch die Roster, dann erkennt man den Neuanfang. Vielmehr erkennt man einen Trend, der endlich etwas aufzeigt, was dieses Business und speziell WWE bitter nötig hatte: Eine Zukunft. Eine Zukunft, die aus mehr als Randy Orton, Mr. Kennedy und MVP besteht.


…und falls wir uns heute nicht mehr sehen, guten Tag, guten Abend und gute Nacht!

In der Musikbranche nennt man es „One Hit Wonder“, im Film ist es der berühmte „Cameo-Auftritt“ und beim Sex und Vince McMahon’s Auffassung von „Extreme“ heißt sowas einfach „One Night Stand“. World Wrestling Entertainment hat 2008 eine neue Versinnbildlichung für das Beschriebene kreiert und taufte sie auf den Namen – Braden Walker. Jedes Jahr hat seine Kulfiguren. The Zombie, Al Wilson, Marty Garner, der Typ der Cena’s Shirt beim zweiten One Night Stand zurückwarf und Stan, der Mann den Shawn Michaels einst kickte. 2008 hatte man Braden Walker und machte Chris Harris zu einer Legende. Auch wenn Harris‘ Abgang irgendwie der witzigste des Jahres war, mussten neben ihm aber auch viele andere gehen. Junge Talente, für die man einfach keine Ideen hatte. Teilweise aber auch langjährige Angestellte und zu guter Letzt auch Leute, bei denen es lange überfällig war.

Eine berühmte Liste aus dem Internet führt ganze 30 Namen von On-Air-Charakteren auf, die hauptsächlich auf zwei der traditionellen Entlassungwellen verteilt waren. Im Großen und Ganzen lassen sich die Namen auf einige wenige Kategorien zusammenfassen:

- Die „Das wurde aber auch langsam Zeit“-Kategorie. Ashley Massaro humpelte wie ein Geschwür durch die WWE Shows und es war mir stets unschlüssig, warum sie überhaupt so lange Teil des Rosters war. Aus dem selben Grund war auch snitzky stets ein Phänomen für mich. Im Gegensatz zu Shannon Moore hat man bei ihm aber wenigstens ansatzweise versucht, ihn in den Shows sinnvoll unterzubringen. Mit Kenny Dykstra ging bei der November-Welle nicht nur der belangloseste Star, sondern auch derjenige mit der größten Selbstüberschätzung, wie wenig später in einem unfreiwillig komischen Interview zu entnehmen war. Jonathan Coachman hat seinen Job als Heel ja niemals schlecht gemacht – zumindest wollte man ihm jedes Mal durch den Bildschirm sein Gesicht brechen, wenn er zu sehen war. Dennoch ist er ein eindeutiger Kandidat für diese Kategorie.

- Die „Du hinterlässt eine ‚überschaubare‘ Lücke“-Kategorie. Wenngleich es sehr schwierig ist, eben jenes einem Big Daddy V zu unterstellen – einer Person, die eigentlich immer auffallen müsste, wenn sie nicht mehr da ist. Bei WWE vermisse ich ihn allerdings kein Stück, auch wenn er mir nie ein besonders großer (<- gecheckt?) Dorn im Auge war. Gegen Chuck Palumbo hatte ich auch nie wirklich was – das hatte ich gegen meine Milchzähne aber auch nicht. Jetzt, wo sie weg sind, kratzt mich das ebensowenig, wie Palumbo's erneuter Abgang. Auch wenn Torrie Wilson’s und Nick Patrick’s Beiträge für die Shows wohl eher minimal waren, fallen aber auch sie wohl eher in diese Kategorie.

- Die „Wir haben Euch kaum gekannt“-Kategorie. Lena Yada. Wes Adams. Cherry. Tja, was soll ich zu Euch sagen? Wie gesagt, nun seid ihr fort – wir haben Euch kaum gekannt. Aber trotzdem alles Gute. Den armen Colin Delaney aber wochenlang um seinen Vertrag kämpfen zu lassen, ihm dann einen Vertrag zu geben und ihn schließlich plötzlich aus diesem wieder zu verlassen, Leute, das hat doch schon fast Popstars-Niveau.

- Die „Schade, wirklich schade“-Kategorie. Man hatte grade eine Rolle für Lance Cade gefunden und einen vielversprechenden Angle mit dem Hearbreak Kid begonnen, da war es auch schon wieder vorbei und Cade durfte seinem Kameraden Trevor Murdoch in die Arbeitslosigkeit folgen. Murdoch gehört allerdings in die nächste Kategorie. Schade ist es natürlich außerdem um die ECW-Originale, Nunzio, Super Crazy, Balls Mahoney und Stevie Richards, die ich immer gern gesehen hab, deren Zukunft bei WWE aber vermutlich eh nicht sonderlich rosig gewesen wäre. Ja, und auch von Bobby Lashley, den Highlanders und Paul London hätte ich gern noch etwas mehr gesehen.

- Die „Ihr gottverdammten Idioten – wie konntet ihr die entlassen!?“-Kategorie. Eben jener Trevor Murdoch gehörte schließlich zu den unterhaltsamsten und speziellsten Charakteren des gesamten Rosters. Elijah Burke? Hallo? Armando Estrada? Hallo? Manchmal möchte ich wirklich mal Mäuschen spielen, wenn solche dummen Entscheidungen gefällt werden. Und wenn es mal dazu kommen sollte, Gott, dann bitte lass mich Haarspray und ein Feuerzeug dabei haben.


Viele Totgesagte sind dafür immer noch Teil der Generation Punk. Niemals hätte ich erwartet, dass Mike Knox Ende des Jahres noch Teil der Company sein wird und gar ein Programm mit einem ehemaligen World Champion bekommt. Und auch Tommy Dreamer wirkt auf seinem Posten als letztes ECW-Urgestein oftmals sehr verlassen. Statt mit der Kündigung belohnte man Funaki mit einem neuen Gimmick und für Michelle McCool schuf man gar einen eigenen Gürtel. Der The Boogeyman singt mittlerweile Weihnachtslieder und anstatt ihn für diese Peinlichkeit zurück in seinem bodenlosen Loch zu versenken, kauft man ihm auch noch Verstärkung in Form von Dustin und Dusty Rhodes ein, die fortan gemeinsam im Goldust-Kostüm steckten. Ein bißchen „Gimmick“, ein bißchen „Trash“ und ein bißchen „Attitude“ stecken also auch weiterhin noch in der Generation Punk. Aber wie definiert Honda den Punk in seinem Spot nochmal? Genau. „Müll nicht rumliegen lassen… ist Punk“ – ich bin also bester Dinge.


„Cacca“ ist italienisch und bedeutet wonach es klingt.

Auch von Gourmet-Küche müssen man Kacken. Und getreu diesem Motto ist es ganz selbstverständlich, dass neben aller Lobesdudelei natürlich auch viel mcmahonischer Schwachsinn in den vergangenen 12 Monaten serviert wurde. So trat Santino Marella beispielsweise gegen Jimmy Kimmel’s Cousin an und um ihn dieser Peinlichkeit nicht vor seinen direkten Arbeitskollegen auszusetzen, verlegte man das Schauerspiel in eine Smackdown Show. Big Show bekam passend zu seinem lang ersehnten Comeback in der Form seines Lebens gleich ein Programm mit einem stink-unsympathischen Boxer und ließ sich live vor Millionen Fernsehzuschauern von ihm die Nase brechen. Edge und Vickie Guerrero… uaaah. Ne, Sorry, das geht nicht.
Machen wir weiter mit… der Demontage Umagas, der Be- und Absetzung Mike Adamles, der Wasserpistolen-Affäre rund um Finlay oder doch mit… ja! Mit der Million Dollar Mania, dem wohl wahnsinnigsten Haufen des italienischen Wortes aus der Überschrift, den man uns 2008 vorsetzte. Die Quoten von Vince McMahon’s Shows humpelten vor sich hin und der Chairman sah den einzigen Ausweg aus dieser Misere, indem er die TV Zeit seiner Sports-Entertainment-Shows nicht mit lästigem Beiwerk wie Sport oder Entertainment vergeudete, sondern lieber bei den Fans zu Hause anrief und sein privates Geld verschenkte. Dabei hatte er glücklicher Weise kein Flipchart mit 5 verdeckten Antwortkarten hinter sich stehen, für das ihm die Anrufer passende Beschimpfungen mit „I“ nennen sollten. Besser macht das den ganzen Quatsch aber in keinem Fall und selten vergeudete man die Zeit der internationalen Wrestlingfans mit so einem Senf. Schließlich nutzte man die Million Dollar Mania, um Vince McMahon aus den Shows zu schreiben. Das Set krachte zusammen und begrub den Chairman unter sich. Vermutlich, um ihn ein Jahr später nach dem Täter suchen zu lassen und eine Fehde mit dem zurückgekehrten Rikishi einzuleiten oder was auch immer. Den könnte man in dem Zuge auch gleich zu demjenigen machen, der Jeff Hardy niederschlug, der Mr. Kennedy die Mittelchen unterjubelte und der Finlay in die Wasserpistole... Stopp. Ich schweife ab.

Die Idee war eine Katastrophe, hatte mit den Shows und seinen Storylines an sich aber glücklich wenig zu tun. Das trifft auf die größte Gimmick-Katastrophe des Jahres allerdings nicht zu. Binnen weniger Wochen machte man nämlich aus Kane eine Personifizierung von Murphy’s Gesetzbuch und ließ ihn durch sämtliche Kapitel dieses berühmten Buches stolzieren – stets begleitet durch den wahrscheinlich schlechtesten Perfomer des Jahres, Rey Mysterio. Ob nun „schlechtester Performer“ aus eigener Schuld, wegen falschem Booking oder einfach einer einmaligen Storyline spielt dabei keinerlei Rolle. Ich war noch nie großer Fan des mexikanischen Springflohs, aber speziell durch die Geschichte mit Kane und die komplette Verweigerung auch nur irgendeinen Teil der Storyline anständig zu verkaufen, ist Mysterio 2008 zur Hassfigur Nummer 1 mutiert. Ich freute mich über John Cena’s Rumble-Sieg, ich liebte John Cena’s verfrühten Titelgewinn und ich mag den Punjabi Playboy – aber ich verabscheue den 2008er Rey Mysterio. Und Glen Jacobs – der soll seine Aufopferungsgabe und Selbstlosigkeit endlich mal als Geschenk verpacken, sie Vince McMahon in den Allerwertesten schieben und ihm ein „Push Me“ mit der Faust in bester Kartoffeldruck-Manier ins Gesicht rammen. Ich weiß, das klingt brutal. Wenn er das aber mit derselben Intensität tut, mit der er Rey Mysterio „zerstört“ hat, dann wird Vince das schon überleben.


Fakten für die Akten.

Viele dieser Anekdoten beschrieben das Jahr 2008 – doch auch neben den Flairs, Hardys, Punks und Mysterios ist viel passiert und in geliebter Tradition sollen uns diese Fakten daran erinnern:
- Zum zweiten Mal in Folge gewann die Nummer 30 den Royal Rumble.
- The Rock trat im WWE Programm auf und hielt eine grandiose Promo.
- Der Diva’s Title erblickte das Licht der Welt.
- Mehr als 2/3 der Fans wählten Evan Bourne ins ECW Title Match beim Cyber Sunday.
- 2008 gab es bei WWE exakt 30 Titelwechsel.
- Der WWE World Heavyweight Title wechselte mit 7 Mal am häufigsten, der WWE Divas Title am wenigsten mit nur einem Titelwechsel.
- Chris Jericho, Ted DiBiase Jr. und Cody Rhodes sind die einzigen, die ihre jeweiligen Titel zwei Mal in diesem Jahr erringen konnten.
- Als WWE uns seine „BunnyMania“ vorsetzte, ging das Licht im Citrus Bowl aus.
- Ric Flair wurde als erster aktiver Wrestler in die WWE Hall of Fame aufgenommen.
- Edge besiegte The Undertaker in einem TLC Match.
- Der Honky Tonk Man bestritt ein Titelmatch bei einem WWE Pay Per View.
- D'Lo Brown feierte im Juni sein Comeback bei WWE. Highlight war eine Fehde gegen Santino Marella. Der Autor verkneift sich Kommentare.
- Shawn Michaels und Chris Jericho bestritten die Fehde des Jahres.
- Jim Ross präsentierte den Gesichtsausdruck des Jahres, als er von seinem Trade zum Smackdown-Brand erfuhr.
- WWE brachte die Slammy Verleihung zurück und überraschte mit sehr subjektiven Preisvergaben.
- Vince McMahon rief einen Fan an und schenkte ihm 2 Dollar.
- Charles Robinson bestritt ein Match gegen den The Great Khali.
- Al Snow wurde entlassen.
- Killer Kowalski starb am 30.08.2008 im Alter von 81 Jahren.
- Der Million Dollar Man hielt eine Promo bei RAW um seinen Sohn vorzustellen.
- Shelton Benjamin bestritt sein drittes Money in the Bank Ladder Match. Er wird vermutlich niemals siegen.
- WWE kreierte das Scramble Match und veranstaltete gleich drei an einem Abend.
- Mit John Cena, Triple H, Jeff Hardy, Edge, The Undertaker, Batista und Chris Jericho gewannen 7 verschiedene Männer die Main Events der 14 PPV’s.
- Triple H gewann 5 seiner 6 PPV-Main-Events. Die einzige Niederlage kassierte er gegen Jeff Hardy.
- Ric Flair beendete seine Karriere.


Nr. 25.

Die Kapitelauswahl dieses Jahresrückblicks war schon immer improvisiert – die Themen, die das Jahr beherrschten, bekamen halt einen Absatz. Beim Korrektur-Lesen meines Jahresrückblicks fiel mir auf, dass zwei Kapitel der letzten Jahre in diesem Jahr fehlten. Das eine ist das Kapitel, das sich mit den Verstorbenen des Jahres befasst, was zeigt, dass 2008 in diesem Bezuge ein gutes Jahr war. Gut, schlechter als sein Vorgänger konnte es auch kaum laufen und neben dem großartigen Killer Kowalski blieb die amerikanische Mainstream-Szene in diesem Jahr von Todesfällen verschont. Die zweite fehlende Kategorie macht mir hingegen ein wenig Sorgen – denn die großen Matches für die Geschichte scheinen 2008 gefehlt zu haben. Flair gegen Michaels war eine Offenbarung und auch das Leitermatch zwischen HBK und Chris Jericho, Kendrick’s Scramble-Auftritt, sowie die großartigen Hell-in-a-Cell- und TLC-Ausgaben mit Edge und dem Undertaker waren sensationelle Kämpfe. „Entertainment“ – das war wohl aber der eigentliche Schwerpunkt dieses Jahres World Wrestling Entertainment. Und auch wenn dabei das „Sport“ an der einen oder anderen Ecke vielleicht etwas zu kurz kam – verdammt, es war ein wirklich gutes Jahr. Überraschungen, Emotionen, Innovationen – 2008 hatte einfach alles und setzt eine wahnsinnig hohe Messlatte für das Jahr, in dem WrestleMania 25 Jahre alt wird. Ich erwarte die größte Wrestlingshow aller Zeiten und gehe mit den Ansprüchen aus 2008 an diese Show – wenn wir uns also in einem Jahr hier wieder treffen und ich in ähnlich großen Tönen von World Wrestling Entertainment spreche, dann ist die Welt gut. Die Welt, dessen mächtigster Mann ein Schwarzer ist. Die Welt, in der der European Song Contest endlich wieder durch eine Jury entschieden wird. Die Welt, in der Schmidt und Pocher getrennte Wege gehen. Diese Welt muss einfach gut werden und ich, ja, ich freu mich darauf!

Das war 2008. Alle Welt wünscht sich gegenseitig in diesen Tagen einen guten Rutsch – so auch ich. In erster Linie bedanke ich mich aber wieder bei all jenen, die auch in diesem Jahr den Kampf durch meine elendig langen Texte bis zu diesen abschließenden Worten bestritten haben und wünsche abschließend ganz traditionell – eine gute Zeit!

Ben